Ernährungsarmut | 3. Parlamentarisches DGE-Dinner

DGE-Sektion Niedersachsen

Bild: ©DGE e.V.

3. Parlamentarisches DGE-Dinner: Gesund Aufwachsen? Gesund alt werden?

Ernährungsarmut verhindert beides!

Immer mehr Menschen kämpfen aufgrund geringer finanzieller Ressourcen mit einer unzureichenden Ernährung. Nach dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes ist die Armutsquote 2024 im Vergleich zu 2023 um 1,1 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent gestiegen. Rund 13 Mio. Menschen sind somit von Einkommensarmut betroffen. Das bedeutet, dass ihr Einkommen nicht ausreicht, um in angemessener Weise am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Die Auswirkungen für Gesundheit und Gesellschaft sind gravierend. Von Ernährungsarmut sind in

Deutschland geschätzt rund 3 Mio. Menschen betroffen.

In einer Zeit, in der soziale Ungleichheiten zunehmen und die Lebenshaltungskosten steigen, betrifft Ernährungsarmut zunehmend Menschen aus allen Lebensbereichen. Sie ist nicht nur eine Frage des Mangels an Nahrung, sondern berührt auch die Gesundheit, die soziale Teilhabe und die Würde der Betroffenen.

Während der gemeinsamen Online-Fachtagung der Sektionen und der DGE-Hauptgeschäftsstelle am 3. Juni 2025 stellten Forschende ihre Perspektiven auf das Thema Ernährungsarmut vor. Zusammen mit über 100 Akteur*innen aus Politik, Verwaltung und Gesellschaft wurden Problemfelder und mögliche Lösungsstrategien unter der Moderation von Prof. Dr. Jörg Meier, Hochschule Neubrandenburg, intensiv erörtert.


Wenn Armut die Ernährung in Familien mit Kindern gefährdet – was kann getan werden?

Einblicke aus der MEGA_kids-Studie
Dr. Anja Simmet, Universität Hohenheim, leitete aus den Erkenntnissen der MEGA_kids-Studie ab, dass armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen stärker in der Ernährungsforschung berücksichtigt werden müssen. Auch geeignete Erhebungsinstrumente zur Erfassung der sozialen Ernährungsarmut müssen entwickelt und ein systematisches Monitoring der Ernährungsarmut durchgeführt werden. Deutlich ist bereits jetzt, dass es für eine Verbesserung der Situation sowohl verhältnispräventiver Maßnahmen, wie z. B. dem Zugang zu hochwertigen und attraktiven Mittagsmahlzeiten in Kitas und Schulen, als auch der Verhaltensprävention, z. B. im Hinblick auf die Reduzierung eines möglichen Informationsdefizits bedarf.

Ernährungs- und Lebenssituation von Senioren und Seniorinnen in Armut – Einblicke aus dem ELSinA-Projekt
Dr. Eva Hummel und Lena Fehrenbach vom Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel stellten das ELSina-Projekt vor, das ein tiefgreifendes Verständnis über die Ernährungs- und Lebenssituation von armutsbedrohten Senior*innen liefern soll. Befragungen machten deutlich, dass viele Senior*innen aufgrund geringer finanzieller Mittel nur Angebotswaren kaufen können. Gleichzeitig fehlt ihnen aber zu diesen der Zugang, weil Wege zum Discounter zu weit sind oder Angebote nur per App dargestellt werden. Aus diesen Daten soll im nächsten Schritt ein Aktionsplan zur Ernährungsteilhabe von älteren Menschen mit wenig Geld erarbeitet werden.

Aus der Hauptgeschäftsstelle der DGE und den Sektionen wurden in Kurzspots aktuelle Tätigkeitsfelder im Bereich der Ernährungsarmut dargestellt:
Dr. Kiran Virmani, Geschäftsführerin der DGE stellte für den nächsten DGE-Ernährungsbericht wieder ein Forschungsvorhaben zum Thema Ernährungsarmut in Aussicht: Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Soziale Aspekte der Ernährung: Ursachen, Determinanten und
Auswirkungen von Ernährungsarmut in Deutschland sowie politische Handlungsoptionen (SEED)“ soll die materielle und soziale Ernährungsarmut in der Gesamtbevölkerung in Deutschland systematisch untersucht werden.

In Schleswig-Holstein widmet sich die DGE derzeit intensiv der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Eigene Restemessungen, die im Rahmen einer Projektförderung des Landes Schleswig-Holstein in Kitas, Schulen und Senioreneinrichtungen durchgeführt wurden, zeigen eindrucksvoll, wie hoch der Anteil an Resten in der GV ist und welche Auswirkungen dieses sowohl in Bezug auf die Nachhaltigkeit als auch auf die monetären Verluste hat. Eine lückenlose
Kommunikation ist erforderlich, um vom Einkauf bis zur Reinigung Reste zu vermeiden.

Obwohl Familien, die Sozialleistungen beziehen, im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) Anspruch auf ein kostenfreies Schulmittagessen für ihre Kinder haben, wird dieses zu wenig in Anspruch genommen. Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung der DGE in Niedersachsen identifizierte 9 Verfahrensschritte, an denen sich Probleme manifestieren können und entwickelte Handlungsoptionen, die in einer Arbeitshilfe inzwischen zur Verfügung stehen.

Die Sektion Hessen DGE e. V. setzt auf ein pädagogisches Frühstück in Kitas, das von (entsprechend) geschulten Erzieher*innen umgesetzt wird und allen Kindern, unabhängig vom Einkommen der Eltern, zur Verfügung steht. Für Schulen wird dieses im Rahmen von „Unser Cleveres Esszimmer“ weitergeführt. Mit Fördergeldern werden kostenfreie Schulcoachings ermöglicht, bei denen nachhaltige Strukturen geschaffen werden. Durch die Partizipation der Schüler*innen ist das Frühstück „cool“ und wird auch „gelebt“

In der Sektion Baden-Württemberg – DGE e. V. werden Social Media-Kanäle als eine wichtige Informationsquelle genutzt. Im Vergleich von klassischen Fastfood-Gerichten und selbst zubereiteten Alternativen wird aufgezeigt, dass selbst gekochte Gerichte nicht nur gesünder, sondern auch deutlich günstiger sein können. Kreative Ideen, wie etwa die Zubereitung von Suppen aus Gemüseresten oder die Herstellung von Mayonnaise aus überschüssigem Öl, veranschaulichen, wie Lebensmittelverschwendung reduziert und gleichzeitig das Haushaltsbudget maximal ausgenutzt werden kann.

Unter dem Leitgedanken „Gemeinsam handeln – regionale Akteure einbinden“ veranstaltete die DGE in Mecklenburg-Vorpommern (MV) ein landesweites Austauschtreffen zum Thema „Dimensionen der Ernährungsarmut – Ursachen und Handlungsmöglichkeiten für MV“. Vertreter*innen aus Verbänden, Schulen, Kitas und Kommunen schilderten ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Verbesserungsvorschläge. Die Netzwerktreffen sollen fortgeführt werden, um wirkungsvolle und passgenaue Unterstützungsangebote in MV zu fördern.

Das Dritte Parlamentarische DGE-Dinner verdeutlichte, wie komplex und vielschichtig Ernährungsarmut ist. Sie ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern eine Herausforderung, die gesamtgesellschaftlich anzugehen ist.

PDF

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.V.